Meine These stützt sich auf Dutzende von Interviews, die ich in den letzten Jahren mit PLM-Verantwortlichen und Keyusern aus der Entwicklung geführt habe. Wenn man sie nach messbaren Nutzeneffekten fragt, zucken sie erst mal mit den Schultern oder sagen sogar, dass PLM für die Anwender einen Mehraufwand bedeute, weil sie ihre Daten sauberer erfassen und verwalten müssten. Wenn man dann aber insistiert und sie bittet, das doch mal aus der Perspektive des gesamten Produktentstehungsprozesses zu betrachten, dann bekommt man plötzlich ganz andere Antworten. Z.B. dass die Fehlerhäufigkeit in Sourcing oder Fertigung abgenommen habe oder dass sich die Durchlaufzeiten bis zur Auslieferung verkürzt hätten. Silodenken sogar bei den Nutzeneffekten von PLM.
Das Problem ist, dass solche Nutzeneffekte in aller Regel nicht allein dem PLM-Einsatz zuzuschreiben sind, sondern z.B. auch den Prozessverbesserungen im Rahmen der PLM-Implementierung oder dem simplen Umstand, dass die Prozesse in Engineering und Fertigung durch eine PLM-ERP-Integration datendurchgängiger geworden sind. Aber diese Durchgängigkeit wäre ohne ein effizientes Produktdatenmanagement überhaupt nicht darstellbar. Was ich damit sagen will ist, dass der Nutzen von PLM oft nicht greifbar ist, weil er nicht unbedingt dort entsteht, wo die PLM-Lösungen hauptsächlich eingesetzt werden. Und auch, weil sich in Ermangelung einer klaren Management-Verantwortung für das PLM-Thema niemand darum kümmert, ihn unternehmensübergreifend messbar zu machen. Daran sind die PLM-Hersteller übrigens nicht ganz unschuldig, weil sie erst spät damit begonnen haben, den PLM-Verantwortlichen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie bestimmte Kennzahlen auswerten und für Management-Reports aufbereiten können. (Lesen Sie dazu auch meinen letzten Blogbeitrag über Data Science & Analytics.)
Die Verbesserung der Datenqualität bzw. die Sicherstellung einer hohen Datenqualität ist eine der Kernaufgaben von PLM und der vielleicht wichtigste Nutzeneffekt. Einer Studie von Harvard Business zufolge verursachen schlechte Daten in den Unternehmen jedes Jahr unnötige Kosten in Höhe von drei Milliarden US-Dollar. Auf diese Studie wies Susanne Lauda, Direktor Global Advanced Manufacturing Technology bei Landmaschinen-Hersteller AGCO in ihrem Vortrag auf der PI PLMx in Hamburg hin. Angesprochen auf den Nutzen von PLM sagte sie in der anschließenden Fragerunde, dass sie Folgen fehlerhafter Daten für die Fertigung mal untersucht habe. Die Kosten waren so exorbitant hoch, dass die Verantwortlichen sie nur in geschönter Form zu veröffentlichen wagten. Kein Witz, wie Jos Vuiskil in seinem Weblog über die Veranstaltung bestätigt:
Next Susanne explained that they investigated the cost for quality for their manufacturing plants. What if something was produced wrong, the wrong parts were ordered, the delays to fix it, the changes needed to be made on the shop floor? These results were so high that people were even afraid to report them. This is the case at many companies I worked with – even their PLM consultants do not receive these numbers – you just have to imagine they are big.
At AGCO they were able to reduce the cost for quality in a significant manner and Susanne explain that PLM was a main contributor to that success. However, success always has many fathers – so if your PLM team does not claim loud (and we are modest people not used to talk finance) – the success will not be recognized.
Ich kann die Erfahrungen von Susanne Lauda nur bestätigen. PLM leistet in vielen Unternehmen einen maßgeblichen Beitrag zur Reduzierung der Qualitätskosten. Nur spricht niemand gerne über Fehler, vor allem wenn sie Geld kosten, oder nur hinter vorgehaltener Hand. Die PLM-Verantwortlichen können also ruhig mal ein bisschen selbstbewusster auftreten, wenn sie nach dem Nutzen von PLM gefragt werden, und sollten ihre Erfolge nicht unter den Scheffel stellen. Aus Unternehmenssicht ist der PLM-Einsatz fast immer nutzbringend, auch wenn die direkt betroffenen Anwender nicht so viel davon verspüren. Deshalb muss die PLM-Fraktion lernen, sich im gesamten Unternehmen besser zu verkaufen. Trommeln gehört zum Handwerk oder wie heißt es unter Public Relations-Experten so schön: Tue Gutes und rede darüber.