Michael Wendenburg Online Redaktion

Erfolgreiche PLM-Migrationen verbessern die Datenqualität

Vor längerer Zeit habe ich mal einen Blog-Beitrag darüber geschrieben, warum viele PLM-Migrationen scheitern. Das Thema scheint viele Unternehmen zu beschäftigen, wie ich aus dem Umstand schlussfolgere, dass er nach wie vor zu den meistgelesenen Beiträgen zählt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch mal ein paar positive Beispiele von erfolgreichen PLM-Migrationsprojekten geben, über die ich in den letzten Wochen und Monaten geschrieben habe. Eine agile Projektabwicklung und eine klare Migrationsstrategie mit konsequenter Datenbereinigung waren bei Automobilzulieferer Kiekert und bei Roboter-Hersteller KUKA wichtige Erfolgsfaktoren.

Misthaufen

Sowohl Kiekert, als auch KUKA stand vor einer Herausforderung, die sich vielen größeren Unternehmen stellt, die ihre Produktdaten schon seit geraumer Zeit mit PDM-Unterstützung verwalten: Die bestehenden Systeme waren sehr Engineering- bzw. Mechanik-lastig und den wachsenden Anforderungen der interdisziplinären Entwicklung komplexer mechatronischer Produkte nicht mehr gewachsen. Im Zuge der Implementierung der neuen PLM-Lösungen reorganisierten beide Unternehmen auch die Prozesse und Methoden im Engineering, was erfahrungsgemäß bei vielen Migrationsprojekten zu Akzeptanzproblemen führt. Umso wichtiger ist ein agiles Vorgehen, das die Anwender oder zumindest bestimmte Keyuser von Anfang an in die Projektabwicklung einbindet.

In beiden Fällen handelte es sich um sehr komplexe Migrationsprojekte mit unterschiedlichen Ausgangs- und Zielsystemen und durchaus unterschiedlichen Migrationsstrategien. Während Kiekert sein altes PDM-System SmarTeam in einem Big Bang an weltweit allen Entwicklungsstandorten durch CIM Database PLM ersetzte, entschied sich KUKA für einen sanften Umstieg mit vorübergehender Koexistenz der alten Oracle Agile e6-Lösung und der neuen Teamcenter-Umgebung. Was die Migration bei KUKA besonders komplex machte war, dass parallel zur sanften PLM-Migration auch die bestehende SAP-Installation durch SAP S/4HANA abgelöst werden sollte, und zwar auf einen Schlag. Es mussten also nicht nur die beiden PDM- bzw. PLM-Systeme integriert, sondern auch beide an das neue ERP-System angebunden werden, was die Migration zu einem Billiard über drei Banden machte.

Die Erfahrungen von Kiekert und KUKA mit unterschiedlichen PLM-Lösungen bestätigen, dass Migrationen nicht deshalb scheitern, weil sich Unternehmen für das falsche System entscheiden. Sie zeigen aber auch, dass kompetente Partner eine wichtige Rolle für den Projekterfolg spielen können. Im Falle von Kiekert sorgte das Projektteam von CONTACT Software zusammen mit Partner Bosch Engineering dafür, dass die Vorgaben des Unternehmens agil umgesetzt wurden, was die Projektlaufzeit maßgeblich verkürzte und für eine hohe Akzeptanz seitens der Anwender sorgte. KUKA nutzte die Dienste der PLM-Experten von PROSTEP, um den Datenbestand vor der Migration zu bereinigen und qualitativ zu verbessern. Und zwar nicht nur die PLM-Daten, sondern auch den riesigen Bestand an Artikelstammdaten im ERP-System, der von 3,3 auf 1,2 Millionen relevante Artikel reduziert werden konnte.

Die Übernahme der Bestandsdaten war Übrigens auch bei Kiekert die größte technische Hürde bei der PLM-Implementierung. Um die Daten zu vervollständigen, führte das Projektteam Metadaten aus SmarTeam, SAP und drei SharePoint-Anwendungen mit viel Handarbeit über Mapping-Tabellen zusammen, bereinigte sie und verknüpfte sie mit den CAD-Daten. Insgesamt migrierte Kiekert mit Unterstützung von CONTACT in mehreren Iterationen rund 700.000 Catia-Dateien mit einem Datenvolumen von 2,6 Terabyte, etwa 400.000 Artikel und 2.000 Projekte, bevor die neue PLM-Lösung live geschaltet werden konnte. Ein Prozess, der mehrere Monate in Anspruch nahm. Das zeigt einmal mehr, dass die Datenmigration bei der Implementierung neuer PLM-Lösungen eine der Baustellen ist, um die man sich so früh wie möglich kümmern sollte.

Einer der wesentlichen Nutzeneffekte in beiden Migrationsprojekten war eine deutliche Verbesserung der Datenqualität und der Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten. Das klingt trivial, ist es aber nicht, denn es ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer durchgängigen Digitalisierung der Geschäftsprozesse und zu all den schönen, neuen Konzepten wie Digital Thread oder Digital Twin, mit denen sich die PLM-Verantwortlichen in den Unternehmen heute herumschlagen. Wenn die Qualität der digitalen Daten vorne im Prozess schon nicht stimmt, kann auch hinten keine brauchbare Entscheidung herauskommen. Oder wie es ein erfahrener PLM-Berater neulich etwas drastisch auf den Punkt brachte: Mist rein – Mist raus. Mit der erfolgreichen PLM-Migration haben beide Unternehmen nicht nur die Grundlagen für eine effiziente Nutzung der digitalen Daten gelegt, sondern auch die Weichen für eine engere Integration der Elektronik- und Software-Entwicklung in den Produktentstehungsprozess gelegt.

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