Denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das wäre ein schönes Motto für das abgelaufene Jahr, in dem die Briten sich überraschend für den Brexit entschieden haben, und die Amerikaner für Trump, in dem der türkische Präsident Erdogan einen Militärputsch überstanden hat, um seinen eigenen Staatsstreich anzuzetteln, und in dem der Westen – was zugegebenermaßen keine Überraschung ist – es wieder nicht geschafft hat, dem Morden in Syrien und dem Morden des Islamischen Staats Einhalt zu gebieten.
Mein besonderes Mitgefühl in diesen Tagen gilt den Opfern von Berlin, Nizza und den vielen anderen Terrorabschlägen, die in diesem Jahr begangen wurden, und ihren Angehörigen. Die Liste der Terroranschläge ist erschreckend lang. Aber ich denke auch an die Menschen in Syrien, Afghanistan und an anderen Kriegsschauplätzen, für die Weihnachten kein Fest des Friedens sein wird, und die es sicher gerne woanders feiern würden, auch wenn sie einem anderen Glauben anhängen. Hoffentlich besinnt sich der eine oder andere AfD-Wähler in diesen Tagen darauf, wohin mangelnde Willkommenskultur führt: Direkt in den Stall von Bethlehem.
Kann es etwas Traditionelleres geben als Weihnachten? Alle Jahr wieder dieselben Rituale, dieselben Lieder, das gleiche Weihnachtsessen, derselbe Stress mit den Geschenken und der gleiche Familienstreit. Einzig die Dekoration des Weihnachtsbaums wird gelegentlich ein bisschen variiert. Warum versuchen wir es eigentlich nicht mal mit einem radikal anderen und revolutionär platzsparenden Design wie diesem hier?
Innovationen entstehen meist aus einer Wettbewerbssituation. In meiner spanischen Wahlheimat streitet der Weihnachtsbaum, der fast immer aus Plastik besteht und wie eine Ampel blinkt, mit der Weihnachtskrippe um die himmlische Deutungshoheit. In vielen Familien liegen die Geschenke nicht unter dem Baum und es gibt sie auch erst am 6. Januar, dem Tag der Drei Heiligen Könige. Das mag weihnachtsgeschichtlich logischer sein, ist aber spieltechnisch ausgesprochen unpraktisch, weil am nächsten Tag oft die Schule wieder losgeht. In diesem haben die spanischen Kinder wenigstens noch das Wochenende, um PlayStations und anderes Elektronik-Getrödel in Betrieb zu nehmen.
Der Plastik-Weihnachtsbaum ist jedoch auf dem Vormarsch – ein Erfolgsmodell, das von keiner disruptiven Technologie bedroht zu sein scheint. Dennoch frage ich mich, ob er dem allgemeinen Trend zur Digitalisierung auf Dauer wird widerstehen können? Vielleicht werden wir ihn nicht allzu weiter Ferne nur noch als Hologramm genießen, smart vernetzt mit einem Bewegungssensor und einer künstlichen Duftquelle, die uns, sobald wir den Raum betreten, den Geruch von frischen Tannen und brennenden Kerzen suggeriert.
Ich hoffe nicht, dass es je soweit kommen wird, und wünsche Ihnen deshalb ein menschlich gut vernetztes und digitally smart disconnected Weihnachtsfest.
Ihr Michael Wendenburg
P.D. Den nächsten Blogbeitrag schenke ich Ihnen erst wieder zur spanischen Bescherung