Das Thema Sicherheit ist für viele Unternehmen immer noch eine psychologische Barriere, wenngleich sie nicht mehr so hoch ist wie noch vor einigen Jahren. Zwar haben die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Cloud-Infrastruktur abgenommen; es bleiben aber Fragen wie die Verfügbarkeit der PLM-Lösungen in dieser Infrastruktur und der freie Zugang zu den Daten z.B. bei einem Wechsel des Cloud-Providers, die juristisch wasserdichte Vereinbarungen erfordern. All das lässt sich nicht aus dem Stand bewältigen.
Der Weg in die Wolke erfordert die Unterstützung Cloud-erfahrener Experten, die weder bei den PLM-Herstellern und ihren Systemintegratoren in Massen zu finden sind und deren Dienste Geld kosten. Insofern relativieren sich die Vorteile der schnellen Produktivsetzung und der geringeren Anfangsinvestitionen. Gerade Unternehmen mit einer bestehenden und gut funktionierenden PLM-Installation müssen sich sehr genau überlegen, ob und unter welchen Bedingungen sich der Aufwand für sie lohnt. Nicht gerade ideale Voraussetzungen, um in Krisenzeiten eine PLM-Installation in die Cloud umzuziehen, aber es kann sicher sinnvoll sein, die Krise zu nutzen, um über den Umzug nachzudenken.
Für kleinere mittelständische Unternehmen, die vielfach noch gar kein PDM/PLM-System einsetzen, wäre die Cloud dagegen durchaus einen Versuch wert. Und ihre Zahl ist nach Überzeugung viele Marktbeobachter weitaus größer als die der PDM/PLM-Anwender. Leider wird genau dieses Kundensegment mit den aktuellen Cloud-PLM-Angeboten nicht gut adressiert. Die Lizenzmodelle sind immer noch User- und nicht pay-per-use basiert, sie sind bei fluktuierender Anwenderzahl nicht so atmungsaktiv wie die Cloud-Befürworter gerne behaupten und die Kosten pro Nutzer sind in vielen Fällen für kleinere Kunden deutlich höher als für Großunternehmen. Selbst Autodesk Fusion Lifecycle ist mit einem Preis von knapp 1.000 US-Dollar pro Voll-User und Jahr kein Schnäppchen, wenn man sich vor Augen hält, dass man eine Lizenz der Cloud-basierten Autorensysteme (Fusion 360) für etwas mehr als die Hälfte bekommt.
Deshalb glaube ich nicht, dass die Cloud einen nennenswerten Beitrag zur Wiederbelebung des PLM-Markts leisten wird. Aber ich würde mich freuen, wenn ich mich irrte. Und ich würde mir wünschen, dass die PLM-Hersteller ihre Cloud-Angebote auch lizenztechnisch weiterentwickeln, um kleinere Unternehmen endlich mit PLM zu „infizieren“. Dann könnten auch sie mit einem gestärkten Immunsystem aus der Corona-Krise hervorgehen.