Michael Wendenburg Online Redaktion

PLM-Anwender brauchen neue User Interface-Konzepte

Seit etwa 20 Jahren bemühen sich die PLM-Hersteller darum, die Bedienerfreundlichkeit ihrer Anwendungen zu verbessern. Offensichtlich mit eher mäßigem Erfolg, wie Oleg Shilovitsky vor ein paar Tagen in einem Blog-Beitrag über Complexity of Data Models and User Interface in PLM konstatierte. Das hängt zum Teil damit zusammen, dass mit zunehmendem Funktionsumfang von PLM fast zwangsläufig mehr Komplexität an die Oberfläche steigt. Zum Teil aber auch damit, dass die PLM-Hersteller bei der Gestaltung der Oberflächen zu wenig mit den Anwendern sprechen.

Augmented Reality

Ohne Frage lassen sich PLM-Systeme heute wesentlich einfacher bedienen als noch vor 20 Jahren. Trotzdem hat sich die Schere zwischen dem, was die Anwender an Ease of Use erwarten und dem, was die Anwendungen zu bieten haben, nicht geschlossen, weil sich gleichzeitig die Erwartungshaltung der Anwender durch den Trend zur Appisierung verändert hat. Franz Koller, Geschäftsführer der User Interface Design GmbH, hat das in einem Interview, das im letzten PROSTEP-Newsletter erschienen ist, sehr schön erläutert:

Apps, die wir privat nutzen, prägen mit ihrem reduziertem, aber stark zielgruppen- bzw. aufgabenspezifischem Funktionsumfang sowie ihrer einfachen Bedienung auch unsere Erwartungen an B2B-Anwendungen. Für Software-Hersteller ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, ihre umfangreichen Anwendungen so zu modularisieren, dass die Funktionen für unterschiedliche Zielgruppen optimal aufbereitet werden können. Das heißt, es gibt nur nicht eine Desktop-Anwendung, die alle Funktionen bündelt, sondern viele kleinere Apps, die bestimmte Elemente der Anwendung sehr einfach und intuitiv zugänglich machen. Die Herausforderung für Hersteller ist es, über alle Anwendungen hinweg Interaktion und Design einheitlich zu gestalten und dem Nutzer eine konsistente Markenerfahrung zu ermöglichen.

Es reicht also nicht aus, mal eben die Ribbon-Technologie von Microsoft oder ein paar andere Gimmicks in die Menüführung einzubauen, um von einer intuitiven Bedienung zu sprechen. Das ist allenfalls eine Sprechblase fürs Marketing. Intuition baut immer auf dem Erfahrungswissen des Anwenders auf, wie Koller betont, und das kann von Zielgruppe zu Zielgruppe sehr unterschiedlich sein. Ausgangspunkt für die Gestaltung einer Benutzeroberfläche, die das Prädikat “intuitiv” verdient, ist deshalb immer die Anforderungserhebung. Dabei ist es wichtig, den Anwendern über die Schulter zu schauen. Die kleinen gelben Zettel, die an vielen Bildschirmen kleben, sagen oft schon viel darüber aus, wie (wenig) intuitiv eine Software zu bedienen ist.

PLM-Systeme, die vom Anspruch her den gesamten Product Lifecycle unterstützen, müssen notwendigerweise den Anforderungen von sehr unterschiedlichen Zielgruppen gerecht werden. Von den unterschiedlichen kulturellen Horizonten beim global verteilen PLM-Einsatz mal ganz zu schweigen. Sie brauchen eigentlich mehrere Oberflächen oder zumindest eine, die sie bzw. die Systemadministratoren ohne Programmieraufwand sehr einfach ihren Anforderungen entsprechend konfigurieren können. Diesbezüglich gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen den PLM-Systemen verschiedener Hersteller, wie Shilovitsky konstatiert, der aber leider nur drei Beispiele gibt.

Vielleicht brauchen wir mit Blick auf Smart Engineering und die interdisziplinäre Produktentwicklung überhaupt ganz andere User Interface-Konzepte oder besser Konzepte, die eine ganz neue User Experience ermöglichen. Der Anwender will ja eigentlich kein PLM-System bedienen, sondern er will bestimmte Informationen haben und bei seiner Arbeit optimal unterstützt werden. Diese Informationen stecken bei smart vernetzten Produkten nicht mehr alle im PLM-System, sondern vielleicht im ALM- (Application Lifecycle Management) oder im ERP-System, vielleicht laufen sie aber auch auf einer IoT-Plattform zusammen. Deshalb liegt es eigentlich nahe, die Informationen mit Hilfe moderner Techniken der Datenverlinkung in einem aufgaben- bzw. rollenspezifischen Cockpit zusammenführen und auch bestimmte Funktionen wie z.B. das Änderungs-Management anwendungsübergreifend verfügbar zu machen. Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass man die Entwicklung der Benutzer-Oberflächen von der Anwendungsentwicklung weitgehend entkoppelt.

Ich könnte mir vorstellen, dass sich Firmen künftig ganz auf die Entwicklung von anwendungsneutralen Benutzer-Oberflächen für bestimmte Zielgruppen (Entwickler, Fertigungsleute, Servicetechniker etc.) spezialisieren. Dies umso mehr als sich die Möglichkeiten der Interaktion mit Software-Programmen vervielfältigen werden. Die Benutzer-Schnittstelle kann z.B. auch eine virtuelle Oberfläche sein, die in eine Augmented-Reality-Brille eingespiegelt wird, die dem Monteur oder Servicetechniker zeigt, wie ein bestimmtes Teil ein- und ausgebaut wird. Koller sieht gerade in der Augmentierung ein riesiges Potential. Die Herausforderung werde darin bestehen, die unterschiedlichen Devices so miteinander zu vernetzen, dass sie ihre unterschiedlichen Vorteile optimal ausspielen, dem Nutzer einen Mehrwert und ein begeisterndes Nutzungserlebnis bieten.

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