Eine andere Beschränkung ist die geringe Komplexität der Transaktionen, die mit den meisten der heute bekannten Blockchain-Implementierungen durchgeführt werden können. Die Bitcoin-Implementierung unterstützt z.B. nur relativ einfache Operationen wie den Transfer einer bestimmten Geldmenge von Person A zu B. Implementierungen wie die der Krypto-Währung Ethereum hingegen ermöglichen dank der so genannten Smart Contracts schon etwas ausgefeiltere Operationen. Ein Smart Contract in Ethereum ist ein ausführbares Stück Software, das in der Blockchain selbst gespeichert wird. Es kann beliebig komplexe Regeln für die Prüfung und Freigabe enthalten und neue Dateneinträge erzeugen, wenn die Regeln erfüllt sind. Dadurch ist es möglich, Bedingungen für monetäre Operationen festzulegen, z.B. dass Person B im Besitz eines Zertifikats oder einer Software-Lizenz sein muss, die im Austausch gegen das virtuelle Geld an A übertragen wird. Dies ist im Wesentlichen die Technologie, die PROSTEP für die Secure Additive Manufacturing Platform verwendet, die im Rahmen des Konsortialprojekts SAMPL mit finanzieller Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie entwickelt wird.
Beide Technologien nutzen so genannte Data Miner, die ein relativ komplexes kryptographisches Problem lösen müssen, um einen neuen Block in die Blockchain eintragen zu dürfen. Infolgedessen ist die Transaktionsgeschwindigkeit sehr gering und erlaubt keine Echtzeit-Operationen wie sie im IoT- oder Industrie 4.0-Umfeld erforderlich sind. Eine sichere Maschine-Maschine-Kommunikation kann jedoch nicht von der Geschwindigkeit abhängen, mit der ein kryptographisches Problem gelöst wird. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile neuere Ansätze wie PoET (proof of elapsed time). Sie behalten Blockchain-Prinzipien wie die Versiegelung eines Blocks durch Integration eines Hash Tags in den nächsten Block oder die Vergabe von nicht mehr als einer Stimme pro teilnehmendem Netzknoten bei, ohne dass für den Blockeintrag aber ein komplexes kryptographisches Problem gelöst werden müsste. Die Validierung wird durch einen Sicherheitscode auf einem Intel-Chipsatz erreicht, der wie ein Zufallsgenerator funktioniert und die Eintragsrechte per Los an die beteiligten Knoten verteilt.
Dieser Ansatz macht Blockeinträge wesentlich schneller und kostengünstiger. Er ermöglicht die Nutzung der Technologie für industrielle Anwendungen in so genannten Permissioned Blockchains, die im Unterschied zu den öffentlichen wie Bitcoin oder Ethereum nicht jedem Teilnehmer erlauben, einen Knoten einzurichten und Transaktionen vorzunehmen. Die Teilnahme ist beschränkt auf eine ausgewählte Gruppe von Personen oder Organisationen, die in bestimmten Prozessen oder Anwendungsfällen zusammen arbeiten.
Warum der Ansatz kostengünstiger ist? Weil der Energieverbrauch der traditionellen Blockchain-Implementierungen extrem hoch ist und weiter zunehmen wird. The Lösung der kryptographischen Probleme durch die Data Miner trägt maßgeblich zum Klimawandel bei, wie ein interessanter Blogbeitrag von The Conversation kürzlich erwähnte:
Imagine the consequences if this type of bitcoin currency becomes widespread. The global money supply in circulation is estimated at $11,000 billion. The corresponding energy consumption should therefore exceed 4,000 GW, which is eight times the electricity consumption of France and twice that of the United States. It is not without reason that a recent headline on the Novethic website proclaimed “The bitcoin, a burden for the climate”.
Was die Blockchain-Technologie für industriellen Anwendungen interessant macht, ist nicht so sehr der Aspekt der Sicherheit, als vielmehr die Möglichkeit, zuverlässige Interaktionen zwischen Partnern, die sich nicht kennen und vertrauen müssen, ohne einen vertrauenswürdigen Intermediär abzuwickeln. Alle Welt redet davon, dass das IoT neue Product-as-a-Service-Modelle hervorbringt. Aber wie kann ein Maschinenhersteller sicherstellen, dass der Kunde die vereinbarten Servicegebühren regelmäßig zahlt, wenn die teure Maschine erst mal ausgeliefert und installiert ist? Er kann die Funktionalität seiner Werkzeugmaschine z.B. mit den Zahlungsinformationen verknüpfen, die in einem Blockchain-Protokoll hinterlegt sind. Oder stellen Sie sich einen anderen Anwendungsfall vor: Sie sind Flugzeug-Hersteller und schicken 3D-Modelle von bestimmten Komponenten um die Welt, um sie als Ersatzteile mit Hilfe Additiver Fertigungsverfahren lokal herstellen zu lassen. Wie können Sie sicherstellen, dass der Service-Partner vor Ort die Teile nur in der gewünschten Stückzahl in 3D druckt?
Mit Blick auf PLM ist die Blockchain interessant für alles, was mit der Verwaltung und gemeinsamen Nutzung von Assets zu tun hat. Einige deutsche Automobilhersteller denken strategisch darüber nach, die Hard- und Software-Konfigurationen von Fahrzeugen mit Hilfe der Blockchain zu validieren. Diese Konfigurationen zu erstellen und aktuell zu halten ist hochkomplex, weil sehr viele Zulieferer beteiligt sind, und wird mit dem Autonomen Fahren tendenziell noch komplexer. Bei einem Update der Konfiguration könnte das Fahrzeug automatisch gegen die Blockchain abprüfen, ob die Konfiguration noch die Straßenzulassung hat oder ob es zu einem Software-Update in die Werkstatt muss.
Meine Schlussfolgerung lautet: Momentan gibt es viel Hype um das Thema Blockchain im Markt. Bevor wir darüber sprechen, wie wir die Technologie für PLM nutzen könnten, sollten wir entscheiden, welche der Technologien dafür überhaupt geeignet ist. Es gibt verschiedene Varianten, die zum Teil ernsthafte technische Limitationen haben, was die Datenmenge pro Transaktion und die Transaktionsgeschwindigkeit anbelangt. Der hohe Energiebedarf ist ein weiterer Faktor, der zu berücksichtigen ist. Die Blockchain wird PLM nicht revolutionieren, eröffnet aber interessante Perspektiven für bestimmte Anwendungsfälle wie z.B. die sichere Verteilung von 3D-Druckdaten für die Herstellung von Ersatzteilen vor Ort, ohne Gefahr zu laufen, dass die Daten von Produktpiraten missbraucht werden könnten.