Dem prostep ivip-Verein geht es ein bisschen wie erfolgreichen Unternehmen, die vor der Frage stehen, wie sie die Chancen des Internet of Things (IoT) für neue Geschäftsmodelle nutzen können, ohne ihre bislang erfolgreichen Geschäftsmodelle in Frage zu stellen. Das Symposium ist eine absolute Erfolgsgeschichte wie der Umstand beweist, dass in diesem Jahr mehr als 600 hochkarätige Manager aus Automobilindustrie und anderen Branchen, Vertreter aller führenden PLM-Softwarehäuser und namhafte Wissenschaftler das Symposium besuchten. 12.000 Mann- und Frau-Jahre geballte Berufserfahrung, wie jemand bei der Podiumsdiskussion über die Zukunft des Symposiums sagte.
Die digitale Transformation der Geschäftsprozesse erfordert jedoch ein neues Denken in Wertschöpfungsketten, das die klassische Fokussierung auf die Optimierung der Engineering-Prozesse sprengt. Nun ist es nicht so, dass auf der Agenda des Symposiums keine neuen Themen stünden. Sie richten sich aber immer noch an die alten Adressaten, die hauptsächlich aus der PLM-Welt der mechanischen Produktentwicklung stammen. Ziel des Vereins und Aufgabe des Querdenkerclubs muss es sein zu überlegen, wie man Vertreter anderer Disziplinen und neue IT-Anbieter für das Symposium begeistern kann.
Mir fehlte in diesem Jahr ehrlich gesagt ein bisschen die strategische Dimension der Digitalisierung, die im letzten Jahr von großen Beratungsfirmen wie Accenture aufgezeigt wurde. Allenfalls in der Keynote von Dr. Michael Picard, der bei ThyysenKrupp für das Thema digitale Transformation verantwortlich ist, klang an, welche gewaltigen Veränderungen da in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen durch technologische Treiber wie Cloud, Internet of Everything, Künstliche Intelligenz etc. in Gang gesetzt wurden und wie Unternehmen darauf reagieren.
Die Unternehmen, zumindest die großen, scheinen die Herausforderung der digitalen Transformation angenommen zu haben und sogar Spaß daran zu finden. Vermiest wird ihnen der Spaß allerdings oft durch die bestehenden IT-Infrastrukturen, die nicht so schnell angepasst werden können, wie die Ideen für neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Wie sagte schon IT-Experte Schiller: Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die monolithischen IT-Systeme. Dass sie Schnee von gestern sind, war auf dem Symposium allenthalten zu hören. Wenn man es jedoch aus dem Munde eines so hochrangigen Managers wie Ralf Waltram, VP IT Delivery bei der BMW Group hört, muss man sich das langsam auf der Zunge zergehen lassen. Den Bayrischen Automobilbauern, Industriesponsor des nächsten Symposiums, steht ein gewaltiger Umbau der IT-Landschaft bevor, der trotz hundertprozentiger Agilität Jahre dauern wird.
Agilität war überhaupt ein geflügeltes Wort auf dem diesjährigen Symposium. Alles soll agiler werden, die Produktentwicklung, die Implementierung von PLM, ja sogar das Format des Symposiums selbst. Ich würde mir wünschen, dass man sich mit dem Thema Agilität mal ernsthaft auseinandersetzt. Es gibt da nämlich gewisse Spannungsfelder, die sich nicht so einfach auflösen lassen. Agile Vorgehensweisen bei der PLM-Implementierung erfordern eine sehr intensive Implikation der Endanwender, die die in zwei- oder dreiwöchigen Sprints ausgelieferten Funktionen ausgiebig testen müssen, weil sie ja nicht mehr so detailliert spezifiziert werden. Gleichzeitig sollen sie aber auch ihre smarten Produkte agil entwickeln, d.h. sie müssen ständig hin- und hersprinten. Der deutsche Ingenieur wird künftig die Kondition eines Profi-Fußballers benötigen.