Ein Vorteil der modellbasierten Systementwicklung ist die Reduzierung der Komplexität, indem man sie auf ein höheres Abstraktionsniveau hebt. Max Faller von NTT Data erläuterte das am Beispiel der Bordnetzentwicklung, die aufgrund des Autonomen Fahrens, der Vielfalt der Antriebe und des Einsatzes neuer Technologien (z.B. Lichtwellenleiter) vor der Herausforderung steht, eine wachsend Vielfalt möglicher Varianten mit allen ihren Abhängigkeiten zu beherrschen, um am Ende einen auftragsspezifischen Kabelbaum zu generieren und in die Logistikwelt zu überführen. Der modellbasierte Ansatz biete die Möglichkeit, ausgehend von einer zentralen Bibliothek wieder verwendbarer Objekte die Leitungssatzsynthese zu automatisieren und die Fehlerquote zu reduzieren, so dass weniger Expertenwissen erforderlich sei, meinte Faller.
Rettungshandbuch für PLM-Manager?
Die andere Vortragsreihe beschäftige sich mit PLM-Themen, allerdings vorwiegend aus Sicht der Berater und Softwarehersteller. Die Sicht des Praktikers hätte Dr. Warbeck von Kraus Maffei beisteuern können, dessen Keynote aber nicht ganz hielt, was der spannende Titel versprach: Ein Rettungshandbuch für PLM-Manager, die zwischen täglicher Hardcore-Realität und visionären Herausforderungen stecken bleiben. Die grundlegenden Probleme zu lösen, ohne die Vision aus den Augen zu verlieren, ist ein Ratschlag, den sicher viele PLM-Manager beherzigen werden. Ich habe aber meine Zweifel, ob sich damit das vielbeschworene Risiko des Misserfolgs von PLM-Projekten minimieren lässt. Interessanter fand ich die These, dass Agilität eine großartige Ausrede ist, die aber nicht eine disziplinierte, sequentielle Planung ersetzt. Dazu hätte man gerne mehr erfahren.
Ein Thema, das mit Blick auf die digitale Transformation und die Erweiterung von PLM in Richtung IoT an Gewicht gewinnt, ist das Configuration Management (CM). Dabei geht es nicht um das Konfigurieren eines Produkts, sondern um die der Verwaltung einer Produktkonfiguration mit allen dazugehörenden Informations-Objekten über die Zeitachse, um ihre Nachvollziehbarkeit sicherzustellen, wie Claudia Rosenberger und Harald Schwabe von usb in ihrem lehrreichen Vortrag über CM und die Auswirkungen der Digitalisierung erläuterten. Ein wesentliches Instrument dafür sind so genannte Baselines, die den Zustand der Konfiguration zu einem bestimmten Zeitpunkt dokumentieren.
Konfigurationskontrolle ist eine Lifecycle-Aufgabe von der Planungs- bis zur Betriebsphase, wie die beiden Referenten deutlich machten, und sie steht in einem engen Zusammenhang mit dem Change Management, weil sich an der Konfiguration ständig etwas ändert. Insofern ist CM ein wesentlicher Bestandteil von PLM, geht aber vom Funktionsumfang über die klassischen PLM-Systeme hinaus, weil die Konfiguration ja auch Items wie die Software enthält, die oft gar nicht in diesen Systeme zu finden sind. Oder z.B. auch die Anforderungen. Ich frage mich deshalb, ob CM nicht vielleicht das (leichtgewichtige) PLM der Zukunft ist, das alle relevanten Informations-Objekte miteinander verbindet? Dazu mehr in einem meiner nächsten Blog-Beiträge.