Michael Wendenburg Online Redaktion

mecPro2: Impulse für die PLM-Technologie

Die Ergebnisse aus der angewandten deutschen Forschung werden leider zu selten angewandt, jedenfalls nicht industriell und nicht in Deutschland. Vielleicht liegt es daran, dass sie in der Öffentlichkeit einfach zu wenig wahrgenommen werden. Deshalb will ich an dieser Stelle mal für ein Forschungsprojekt trommeln, das meiner Ansicht nach wirklich interessante Ergebnisse hervorgebracht hat. Ergebnisse, die für die Weiterentwicklung der PLM-Systeme von großer Bedeutung sein werden.

mecPro2: Impulse für PLM

mecPro2, so heißt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit immerhin 2,5 Millionen Euro geförderte Verbundprojekt von 12 Forschungsinstituten, Industrieunternehmen, Software- und Beratungshäusern, die noch einmal 1,8 Millionen Euro oben drauf gelegt haben. Der Name steht für “Modellbasierter Entwicklungsprozess cybertronischer Produkte und Produktionssysteme” – sperrig, wie die Titel von Forschungsprojekten nun einmal zu sein haben. Nach drei Jahren steht es kurz vor dem Abschluss.

Worum es bei dem Projekt ging war zu untersuchen, wie die Werkzeuge und Methoden des Model-Based Systems Engineerings (MBSE) in den Produktentstehungsprozess integriert werden können und welche Informationen aus dem Werkzeugen für die Systemmodellierung (mit SysML) in die PLM-Systeme einfließen müssen, um sie Prozessen wie Änderungs- oder Konfigurationsmanagement unterwerfen zu können. Prof. Martin Eigner von der TU Kaiserslautern, Initiator des Projekts, wird mich für die verkürzte Darstellung rügen, aber schon das Abstract des Projektantrags war länger als der Platz für meinen Blog. Ein Antrag, der übrigens im ersten Anlauf abgelehnt wurde, weil das Projekt nicht mit Industrie 4.0 und der intelligent vernetzten Produktion zu tun hatte, sondern mit der Entwicklung von intelligent vernetzbaren Produkten und Produktionssystemen. Inzwischen hat man schlauerweise erkannt, dass das eine nicht ohne das andere funktionieren kann.

Sie werden sich vielleicht fragen, wofür man MBSE braucht? Nun, MBSE ist sozusagen das Esperanto für die an der Entwicklung komplexer, cybertronischer Produkte beteiligten Disziplinen: Mechanik-Entwickler, Elektrik/Elektronik-Entwickler, Software-Programmierer, Service-Leute etc. Sie alle sprechen ein anderes Fachchinesisch und setzen unterschiedliche IT-Systeme ein, die kaum miteinander kommunizieren können. Mit Hilfe von MBSE beschreiben alle Beteiligten die Anforderungen an ein Produkt und die Funktionen, die es erfüllen soll, auf einer höheren Abstraktionsebene, simulieren sie und validieren sie. Ein MBSE-Auto hat keine Scheinwerfer, sondern die Funktion Beleuchtung mit bestimmten Anforderungen, z.B. dass sie bei Kurvenfahrten die Kurve ausleuchtet. Was davon später in Hardware, Elektronik und/oder Software abgebildet wird, ist erst mal unerheblich. MBSE ist nicht neu, wird aber bislang kaum interdisziplinär genutzt, und die Werkzeuge sind nicht gut in den Produktentstehungsprozess integriert. Das ist der Ansatzpunkt von mecPro2.

Die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts sind:

• ein minutiöser Referenzprozess für die cybertronische Produktentwicklung, der sich an die bestehenden Prozesse für die Mechatronik-Entwicklung anlehnt und sie um eine Reihe von Prozessmodulen erweitert;

• eine einheitliche Beschreibungssystematik für die Art, wie cybertronische Produkte und Produktionssysteme in SysML zu beschreiben sind, die in die internationale Normung einfließen soll;

• zwei Demonstratoren, die am Beispiel der PLM-Systeme CIM Database und Teamcenter deutlich machen, wie SysML-Artefakte in die PLM-Systeme und -Prozesse integriert und wie Artefakte der Produktmodellierung für die Simulation der dazu gehörigen Produktionsanlage genutzt werden können. Weitergehende Informationen zum Projekt und den Ergebnissen finden Sie hier

Ist damit der Beweis erbracht, dass PLM-Systeme für die Anforderungen der Zukunft gewappnet sind? So pauschal wollten das weder Prof. Eigner, noch Konsortialführer Dr. Walter Koch von Schaeffler, mit denen ich bei der Ergebniskonferenz ein Interview geführt habe, stehen lassen. Einige PLM-Systeme seien von der Architektur her eher geeignet als andere, meinte Koch. Das sollten Unternehmen bei der PLM-Auswahl unbedingt berücksichtigen, wenn sie vorhaben, ihre Produkte künftig mit den Werkzeugen und Methoden des MBSE interdisziplinär zu entwickeln.

Weitere Beiträge auf wendenburg.net Seite 8

21.03.2017
In der Berichterstattung über Industrie 4.0 überwiegen die Beiträge, die die Chancen einer intelligenten Vernetzung von Produkten und Produktionssystemen betonen. Seltener ist von den Risiken zu lesen, die sich durch die disruptiven Kräfte des technologischen Wandels für die deutschen Unternehmen... Artikel weiterlesen
08.03.2017
Obwohl die meisten PLM-Hersteller inzwischen Cloud-Dienste anbieten und die generelle Bereitschaft ihrer Kunden, sie zu nutzen, mit Blick auf den wachsenden Collaboration-Bedarf zugenommen hat, heben bislang nur wenige Anwender wirklich ab in die PLM-Wolke. Das sagt kein geringerer als Oleg Shilovitsky,... Artikel weiterlesen
06.03.2017
Mein geschätzter Blogger-Kollege Ralf Steck lädt uns heute zu einer Geschichtsstunde ein, in der er uns den interaktiven CAD/CAE-Stammbaum vorstellt, den der amerikanische CAD/CAE-Schulungsanbieter Fastway Engineering entwickelt hat. Ich habe vor einiger Zeit mal einen ähnlichen Versuch unternommen,... Artikel weiterlesen
25.02.2017
Bei der PLM-Einführung kann man darüber streiten, ob es sinnvoller ist, zuerst in die Tiefe des Produktdaten-Managements (und die Untiefen der Datenmigration) zu gehen oder in die Breite eines unternehmensweiten Projektmanagements zur Unterstützung des gesamten Product Lifecycles. Warum, das habe... Artikel weiterlesen
20.02.2017
Viele Großunternehmen stehen vor einem Dilemma. Eigentlich müssten sie ihre in die Jahre gekommenen PLM-Systeme ablösen, aber der „Schuss“ kann auch nach hinten losgehen, wie die Schieflage des iPLM-Projekts bei Jaguar Land Rover beweist. Verdi Ogewell berichtete darüber vor einigen Wochen auf... Artikel weiterlesen
24.01.2017
HILFE! Jetzt werden auch noch die Psychologen bemüht, um zu untersuchen, warum es im Mittelstand mit der digitalen Transformation nicht so richtig vorangeht. Das Digital Business Magazin berichtete vor ein paar Tagen über die von der Innovation Alliance in Auftrag gegebene Studie Psychologie der Digitalisierung,... Artikel weiterlesen
09.01.2017
In den Weihnachtsferien habe ich einen ganz interessanten Beitrag auf Beyond PLM gelesen, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Oleg Shilovitsky empfiehlt den PLM-Herstellern, nicht zu stark auf das Internet of Things zu setzen, weil das Thema nicht mehr “in” sei. Es mehren sich die Stimmen,... Artikel weiterlesen
24.12.2016
Weihnachten steht nicht mehr vor der Tür, sondern schon auf der Schwelle. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und allen meinen Lesern auf diesem Wege fröhliche Festtage und einen guten Start ins neue Jahr wünschen. Ich hoffe für uns alle, dass es weniger unliebsame Überraschungen bereithält... Artikel weiterlesen