Ich war immer skeptisch, ob PLM in der Cloud funktionieren kann. Daraus habe ich auch nie einen Hehl gemacht wie ein älterer Beitrag auf der Informations-Plattform CADplace beweist. Vor allem war und bin ich in der Meinung, dass es nicht viel Sinn macht, PLM in die Cloud zu schicken und die CAD-Daten dann aus Angst vor dem Verlust geistigen Eigentums doch wieder lokal zu verwalten. Aber ich habe damals auch gesagt, dass die Entscheidung pro oder contra Cloud nicht in der PLM-Wetterstation fallen wird:
Die PLM-Technologie ist kein Trendsetter, sondern vollzieht früher oder später die allgemeinen IT-Entwicklungstrends nach. Wer das bezweifelt, der sei daran erinnert, dass vor gar nicht so langer Zeit niemand geglaubt hätte, dass leistungsfähige 3D-CAD-Systeme mal auf einem normalen PC laufen würden. Psychologische Barrieren und technische Hürden können die Adaption zwar verzögern, aber nicht dauerhaft verhindern.
Die psychologischen Barrieren scheinen schneller zu fallen als man erwartet hätte. Eine der interessanten Erkenntnisse der von Fraunhofer IPK zusammen mit VDI und PLM-Hersteller Contact durchgeführten Studie Zukunft der unternehmensübergreifenden Kollaboration war, dass Cloud-basierte Lösungen aufgrund der Kommunikationshindernisse bei der Collaboration zunehmend Akzeptanz finden. Und auch technisch bietet die Cloud scheinbar mehr Flexibilität, was die kunden- bzw. prozessspezifische Gestaltung von IT-Anwendungen anbelangt, als man noch vor ein paar Jahren gedacht hätte.
Interessanterweise stammt das Beispiel, das Oleg Shilovitsky anführt, nicht aus dem PLM-, sondern aus dem ERP-Bereich. Die Firma Rootstock Software, Anbieter von Cloud-basierten ERP-Lösungen, weist in einem Blog-Beitrag darauf hin, dass Customization einer der wesentlichen Nutzeneffekte von Cloud ERP sei. Die Argumentation, die Rootstock-CEO Pat Garrehy anführt, lässt sich aber eins zu eins auf PLM übertragen:
Customization will always be a necessary component of user adoption and extension of software packages. It’s always been that way, and simply because an ERP solution is on the cloud does not change that fact. The chances are slim to none that any single ERP package, cloud or on-premise, will ever provide 100 percent of the “out of the box” functionality required by the entire the installed base.
While Cloud ERP demonstrates cost savings in almost every area – hardware, IT personnel, etc. – it only stands to reason that those planning on purchasing an ERP package must do more evaluation and analysis to determine how easy it is to customize and add enhancements to cloud ERP systems.
Die Cloud spricht also nicht grundsätzlich gegen die Möglichkeit, Unternehmensanwendungen kundenspezifisch zu konfigurieren. Was dagegen spricht sind eher die teilweise veralteten Software-Architekturen der PLM-Systeme, die sich nur mit einem relativ hohen Programmieraufwand anpassen lassen und – schlimmer noch – die kundenspezifischen Anpassungen nicht sauber verwalten, so dass sie beim nächsten Update mit einem ebenso großen Aufwand aktualisiert werden müssen. Diesen Anachronismus hat Prof. Martin Eigner in einem Interview, das ich für den PROSTEP-Newsletter geführt habe, scharf kritisiert.
Was gar nicht mehr geht, ist das Geschäftsmodell mit teuren Lizenzverkäufen, Wartungsgebühren etc., und wenn der Kunde dann nach zwei Jahren eine neue Version bekommt, zahlt er noch mal ein Drittel bis die Hälfte der Kosten, um das ganze Customizing nachzuziehen. Das ist absolut anachronistisch und liegt nur daran, dass die Datenmodelle intern nicht sauber verwaltet werden. Moderne PLM-Systeme verwalten das modifizierte Datenmodell im Repository und können dadurch nachvollziehen, was der Kunde bekommen hat und was nachträglich customiziert wurde.
Es gibt durchaus PLM-Systeme, die in punkto Customization besser aufgestellt sind als andere. CIM Database von CONTACT Software z.B. behandelt kundenspezifische Anpassungen und Erweiterungen wie eigenen Software-Module, so dass der Kunde beim Update entscheiden kann, ob er sie beibehalten oder durch neue Standard-Funktionalität ersetzen möchte. Solche Möglichkeiten müssen von den Kunden aber auch honoriert werden. Paradoxerweise wird die Frage der Total Cost of Ownership, die PLM-Systeme über ihren eigenen Produktlebenszyklus verursachen, bei der Anschaffung immer noch zu wenig berücksichtigt.