Michael Wendenburg Online Redaktion

Hat PLM eine Zukunft und wenn ja in welcher Form?

In einem meiner letzten Beiträge für den PLM-Blog von CONTACT Software habe ich darzulegen versucht, warum es aus Anwendersicht so wichtig ist, PLM aus seinem Engineering-Nischendasein zu befreien. Ebenso wichtig ist es aus Anbietersicht, wenn die PLM-Hersteller sich auf Dauer am Markt behaupten wollen. Darauf hat vor ein paar Monaten Oleg Shilovitsky in einem Gastblog-Beitrag hingewiesen, den ich erst vor kurzem entdeckt habe.

Sonnjoch Sunset

Shilovitsky konstatiert fünf Trends und Technologien mit dramatischen Auswirkungen auf die Zukunft von PLM, nämlich Big Data, Messaging und Mobilität, Internet of Things (IoT) und das explosive Wachstum von Elektronik und Software in der Fertigung. Die Herausforderung bestehe darin, die Abdeckung von PLM über die Grenzen der Engineering-Abteilung auszudehnen, denn PLM werde immer noch mit Mechanik-CAD assoziiert, was eine breitere Akzeptanz erschwere.

Nicht nur in den USA macht man sich Gedanken über die Zukunft von PLM. Vor ein paar Wochen hatte ich das Privileg, mit einer Runde erfahrener PLM-Experten über die Zukunft von PLM zu diskutieren. Alle Teilnehmer des Workshops Future PLM waren sich darüber einig, dass wir eine andere Art von PLM brauchen, um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern. Ergebnis des Workshops waren eine Reihe von Thesen, die demnächst in Blog-Form zur Diskussion gestellt werden sollen. Als Mitautor nehme ich mir die Freiheit, Ihnen als Urlaubslektüre schon mal eine kleine Kostprobe zu servieren.

Die Digitalisierung von Produkt und Produktion und ihre Vernetzung über das IoT hat nach Einschätzung der Autoren des inzwischen veröffentlichten Thesenpapiers gravierende Auswirkungen auf die Zukunft von PLM. Digitale und reale Welt verschmelzen in dem Maße, in dem traditionelle Produktdaten mit Sensordaten aus Produktion und Betrieb verknüpft werden. Der Produktlebenszyklus, den die PLM-Systeme unterstützen sollen, verlängert sich dadurch, dass Produkte zunehmend um Dienstleistungen ergänzt oder gleich als (Product as a) Service angeboten werden. Als Enabling Technologie für die Digitalisierung muss sich PLM also neuen Aufgaben stellen. Ihr Stellenwert muss aber endlich auch vom Management erkannt und anerkannt werden.

Was bedeutet das für die PLM-Systeme bzw. ihre Hersteller? Eine der Kernaussagen des Thesenpapiers Future PLM ist, dass monolithische PLM-Systeme angesichts der gestiegenen Komplexität von Produkten und Prozessen keine Zukunft haben. Das heißt zugleich, dass es DEN digitalen Master und DIE Single Source of Truth aus der Hand eines einzigen PLM / ERP-Herstellers nicht geben kann. Stattdessen brauchen wir föderierte PLM-Systeme und semantische Netzwerke, die in der Lage sind, die digitalen Modelle in den verschiedenen Subsystemen intelligent zu vernetzen. Das erfordere modulare Software-Architekturen mit einer Offenheit, die allen Lippenbekenntnissen der Hersteller zum Trotz noch längst nicht alle PLM-Systeme bieten.

Eine der Kernanforderungen an die zukünftigen PLM-Architekturen ist eine bessere Unterstützung der Kollaboration mit Joint Ventures, Entwicklungspartnern und Systemlieferanten. Außerdem müssen sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Mechanik-, Elektrik/Elektronik- und Software-Entwickler sowie der Serviceplanung besser unterstützen. Dazu sind neue Strukturierungsansätze erforderlich: Die klassische Bill of Material ist nach Überzeugung der Autoren des Thesenpapiers nicht geeignet, um smart vernetzte Produkte und neue serviceorientierte Geschäftsmodelle zu unterstützen. Auf die PLM-Entwickler kommt in den nächsten Jahren viel Arbeit zu, wenn sie ihre PLM-Systeme fit für die digitale Transformation machen wollen.

Die Autoren des Thesenpapiers fordern außerdem mehr Agilität bei der PLM-Implementierung, um die Komplexität zu reduzieren, die mit ein Grund dafür ist, dass immer noch viele PLM-Projekte scheitern. Ein konsequenteres Monitoring der PLM-Projekte sei erforderlich, um sicherzustellen, dass die geplanten Ziele in Time und Budget erreicht werden. Außerdem müsse die Gesamtkosten bei PLM-Implementierung viel stärker berücksichtigt werden. Die Autoren des Thesenpapiers unterstreichen dabei die Bedeutung von modernen Technologie-Plattformen, die ein weitgehend interaktives Customizing erlauben und den Upgrade der konfigurierten PLM-Lösung erleichtern, für die Reduzierung der Betriebskosten. Da sind einige PLM-Hersteller definitiv besser aufgestellt als andere.

Weitere Beiträge auf wendenburg.net Seite 9

22.12.2016
Manchmal muss man sich von liebgewonnen Vorurteilen trennen. Ich habe immer geglaubt, dass PLM in der Cloud keine Chance habe, weil Unternehmen nicht auf prozessspezifische Anpassungen verzichten werden. Nach der Lektüre eines Beitrags von Oleg Shilovitsky auf Beyond PLM bin ich mir nicht mehr so sicher,... Artikel weiterlesen
16.12.2016
Das Outsourcing hat in den letzten Jahrzehnten zur Herausbildung hierarchisch strukturierter Supply Chains geführt. Ich frage mich, ob dieses Modell im Zeitalter der intelligenten Vernetzung von Produkten und Dienstleistungen noch zeitgemäß ist? Um der Dynamik der Märkte Rechnung zu tragen, brauchen... Artikel weiterlesen
13.12.2016
Datensicherheit ist ein vielschichtiges Thema, dessen Brisanz mit dem Internet of Things (IoT) bzw. der internetbasierten Vernetzung von Produkten und Systemen dramatisch zugenommen hat. Neulich las ich in der Zeitung, hinter der angeblich immer ein kluger Kopf steckt, dass der Pharmakonzern Johnson... Artikel weiterlesen
09.12.2016
Additive Fertigungsverfahren bieten mehr Freiheitsgrade bei der geometrischen Gestaltung von Bauteilen. Man kann auf einem 3D-Drucker Strukturen ausgeben, die mit klassischen Fertigungsverfahren nicht oder nur zu extrem hohen Kosten herstellbar wären. Doch diese Freiheit hat wie jede andere ihren Preis:... Artikel weiterlesen
07.12.2016
Das Internet of Things (IoT) ist in aller Munde, natürlich auch in derer der Marktanalysten. In einem seiner letzten Beiträge auf Beyond PLM berichtet Oleg Shilovitsky über verschiedene Markterhebungen, die ein wachsendes Interesse an IoT sowohl seitens der PLM-Hersteller, als auch seitens der PLM-Anwender... Artikel weiterlesen
03.12.2016
Die Ergebnisse aus der angewandten deutschen Forschung werden leider zu selten angewandt, jedenfalls nicht industriell und nicht in Deutschland. Vielleicht liegt es daran, dass sie in der Öffentlichkeit einfach zu wenig wahrgenommen werden. Deshalb will ich an dieser Stelle mal für ein Forschungsprojekt... Artikel weiterlesen
29.11.2016
PTC nutzt den europäischen Ableger der PTC LiveWorx in Boston gerne als Plattform für die Einführung neuer Versionen seiner klassischen PLM-Produkte: Im vergangenen Jahr wurde Windchill 11 in Stuttgart vorgestellt – heuer lancierte PTC die neue Version 4.0 des CAD-Systems Creo. Eine intuitivere... Artikel weiterlesen
28.11.2016
En casa de herrero – cuchillo de palo, sagt man in meiner spanischen Wahlheimat. Wörtlich übersetzt heißt das Sprichwort, dass man im Hause des Schmiedes mit dem Holzmesser isst. Im übertragenen Sinne bedeutet es, dass man im eigenen Hause die Sachen vernachlässigt, mit denen man sich seinen... Artikel weiterlesen