Michael Wendenburg Online Redaktion

Datensicherheit erfordert offene Informationskultur

Datensicherheit ist ein vielschichtiges Thema, dessen Brisanz mit dem Internet of Things (IoT) bzw. der internetbasierten Vernetzung von Produkten und Systemen dramatisch zugenommen hat. Neulich las ich in der Zeitung, hinter der angeblich immer ein kluger Kopf steckt, dass der Pharmakonzern Johnson & Johnson eine Sicherheitslücke in seinen tragbaren Insulinpumpen gemeldet hat, die es Hackern ermöglicht, die Dosierung zu manipulieren. Interessant an der Nachricht ist nicht nur der offene Umgang des Herstellers mit dem Problem, sondern auch die Tatsache, dass die Pumpe noch gar nicht am Internet hängt, sondern über Radiofrequenz-Technik mit dem Sender kommuniziert.

Datensicherheit

Probleme mit der Datensicherheit sind also nichts Neues. Sie werden aber durch die Vernetzung von allem und jedem verschärft, zum einen weil die Entwickler der vernetzten Geräte dem Thema viel zu wenig Aufmerksamkeit widmen und zum anderen weil sie nicht offenlegen, welche Informationen sie sammeln und wofür. Von einem haarsträubenden Fall berichtete ein Sicherheitsexperte, der für die Firma ERNW Penetrationstest durchführt, vor ein paar Monaten auf dem TechDay der PROSTEP AG: Eine mit dem Internet vernetzbare Personenwaage, die neben Benutzerdaten Daten wie Gewicht, Blutdruck etc. auch noch das Passwort des Modems in die Cloud schickt – und das auch noch unverschlüsselt.

Im Falle einer Personenwaage mag das noch harmlos erscheinen, aber wenn komplexe medizintechnische Geräte in einem Krankenhaus plötzlich ferngesteuert werden können, ist unter Umständen das Leben von Patienten in Gefahr. Verantwortlich für die Sicherheit sind laut deutschem Gesetzgeber aber eigentlich nicht die Gerätehersteller, sondern ihre Betreiber, die meist gar nicht so genau wissen, welche Informationen die Geräte im Einzelnen erfassen und wie sie sie kommunizieren werden und die auch wenig direkten Eingriffsmöglichkeiten haben, wenn sie nicht die Gewährleistung verlieren wollen.

Die Hersteller von smart vernetzten Produkten sollten deshalb meines Erachten für grobe Datensicherheitsmängel haftbar gemacht werden. Und sie sollten verpflichtet sein offenzulegen, welche Informationen sie erfassen, auswerten und an Dritte weitergeben. Das gilt nicht nur für die Hersteller von Hardware, sondern auch für die Software-Hersteller im weitesten Sinne. Über Amazon wird zwar gerne und viel gemeckert, aber die Hersteller von PLM-Systemen sind ihren Kunden gegenüber manchmal auch nicht viel transparenter. Und das obwohl inzwischen alle den Code of PLM Openness unterzeichnet haben, der klar festlegt, dass die mit den Werkzeugen erzeugten Daten den Kunden gehören. Das gilt nicht nur für die CAD- und Metadaten, sondern auch für Kennzahlen aller Art.

Vor ein paar Wochen sprach ich mit dem Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, das mit den Software-Werkzeugen eines namhaften deutschen PLM-Anbieters Isolierungen für Gas- und Dampfturbinen entwickelt. Er beklagte sich darüber, dass sein Software-Lieferant bislang nicht offengelegt habe, welche Informationen über die Software-Nutzung erfasst werden, geschweige denn zugesichert habe, dass keine Informationen über Kundenprojekte erfasst und ausgewertet würden. Genau dazu muss er sich aber gegenüber seinen Auftraggebern verpflichten. Die Sache ist deshalb delikat, weil zu den Kunden des Unternehmens große international tätige Turbinen-Hersteller gehören, die in direkter Konkurrenz zur Muttergesellschaft des PLM-Herstellers stehen.

CAD- und PLM-Systeme erfassen mittlerweise eine Vielzahl von Informationen über das Nutzerverhalten: Wer die Software wo nutzt, wie lange er sie nutzt, welche Funktionen mehr und welche weniger genutzt werden etc. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, denn diese Informationen können zu Kennzahlen verdichtet werden, die Auskunft über die Effizienz des PLM-Einsatzes geben, und auch darüber, wo die Anwender vielleicht Schulungsbedarf haben. Dem Systemhersteller helfen diese Angaben bei der Weiterentwicklung der Software und der Lizenzgestaltung.

Diese Win-Win-Situation kann aber nur funktionieren, wenn alle Beteiligten einen offenen Umgang mit den Informationen pflegen: Die Software-Hersteller über das was sie erfassten, die Anwenderunternehmen über das was sie damit machen: Und in keinem Fall – das ist schon ein Gebot des Datenschutzes – darf die Erfassung und Auswertung nutzerspezifischen Informationen zum Schaden der Nutzer sein.

Weitere Beiträge auf wendenburg.net Seite 8

21.03.2017
In der Berichterstattung über Industrie 4.0 überwiegen die Beiträge, die die Chancen einer intelligenten Vernetzung von Produkten und Produktionssystemen betonen. Seltener ist von den Risiken zu lesen, die sich durch die disruptiven Kräfte des technologischen Wandels für die deutschen Unternehmen... Artikel weiterlesen
08.03.2017
Obwohl die meisten PLM-Hersteller inzwischen Cloud-Dienste anbieten und die generelle Bereitschaft ihrer Kunden, sie zu nutzen, mit Blick auf den wachsenden Collaboration-Bedarf zugenommen hat, heben bislang nur wenige Anwender wirklich ab in die PLM-Wolke. Das sagt kein geringerer als Oleg Shilovitsky,... Artikel weiterlesen
06.03.2017
Mein geschätzter Blogger-Kollege Ralf Steck lädt uns heute zu einer Geschichtsstunde ein, in der er uns den interaktiven CAD/CAE-Stammbaum vorstellt, den der amerikanische CAD/CAE-Schulungsanbieter Fastway Engineering entwickelt hat. Ich habe vor einiger Zeit mal einen ähnlichen Versuch unternommen,... Artikel weiterlesen
25.02.2017
Bei der PLM-Einführung kann man darüber streiten, ob es sinnvoller ist, zuerst in die Tiefe des Produktdaten-Managements (und die Untiefen der Datenmigration) zu gehen oder in die Breite eines unternehmensweiten Projektmanagements zur Unterstützung des gesamten Product Lifecycles. Warum, das habe... Artikel weiterlesen
20.02.2017
Viele Großunternehmen stehen vor einem Dilemma. Eigentlich müssten sie ihre in die Jahre gekommenen PLM-Systeme ablösen, aber der „Schuss“ kann auch nach hinten losgehen, wie die Schieflage des iPLM-Projekts bei Jaguar Land Rover beweist. Verdi Ogewell berichtete darüber vor einigen Wochen auf... Artikel weiterlesen
24.01.2017
HILFE! Jetzt werden auch noch die Psychologen bemüht, um zu untersuchen, warum es im Mittelstand mit der digitalen Transformation nicht so richtig vorangeht. Das Digital Business Magazin berichtete vor ein paar Tagen über die von der Innovation Alliance in Auftrag gegebene Studie Psychologie der Digitalisierung,... Artikel weiterlesen
09.01.2017
In den Weihnachtsferien habe ich einen ganz interessanten Beitrag auf Beyond PLM gelesen, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Oleg Shilovitsky empfiehlt den PLM-Herstellern, nicht zu stark auf das Internet of Things zu setzen, weil das Thema nicht mehr “in” sei. Es mehren sich die Stimmen,... Artikel weiterlesen
24.12.2016
Weihnachten steht nicht mehr vor der Tür, sondern schon auf der Schwelle. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und allen meinen Lesern auf diesem Wege fröhliche Festtage und einen guten Start ins neue Jahr wünschen. Ich hoffe für uns alle, dass es weniger unliebsame Überraschungen bereithält... Artikel weiterlesen