Vor ein paar Wochen besuchte ich die Firma Weidmüller, einen der führenden deutschen Spezialisten für industrielle Verbindungstechnik, der gerade das PLM-System CIM Database von CONTACT Software global ausrollt. Ein System, das nicht den Anspruch erhebt, „bimodal“ zu sein, dank seiner modularen Architektur aber offensichtlich trotzdem für eine agile Implementierung geeignet ist. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt, in dem auch die agilen Methoden erprobt wurden, verzichtete der Kunde im globalen PLM-Projekt auf die Erstellung eines kompletten Lastenheftes und erfasste die Anforderungen der Anwender in Form von so genannten User Stories, die in zwei- bis dreiwöchigen Sprints umgesetzt wurden.
Zweifellos erfordert das agile Vorgehen leichtgewichtige Deployment-Methoden, die das Einspielen vieler kleiner Änderungen in kurzen Zeitabständen ermöglichen. Abgesehen von wenigen monolithischen „Supertankern“ sei die Software-Architektur der PLM-Systeme dabei jedoch kein Hindernis, und noch weniger seien dafür spezielle Mechanismen für die leichtgewichtige Verlinkung der Informationen über Schnittstellen wie REST zwingend erforderlich, meint Frank Patz-Brockmann, Entwicklungsleiter bei CONTACT Software: Wichtiger für den Erfolg agiler PLM-Implementierungen ist, dass der PLM-Hersteller aus der eigenen Entwicklung Erfahrung mit agilen Methoden mitbringt und dass beide Partner einander vertrauen. Sie müssen eine gemeinsame Vision entwickeln, wohin die Reise gehen soll, d.h. welche Effekte das Projekt haben soll und wie sie sich messen lassen.
Patz-Brockmann ist unbedingter Befürworter einer bimodalen IT-Strategie im Sinne einer flexiblen Kombination von stabilen Plattform-Systemen und agil entwickelten und implementierten Applikationen, die es erlauben, dynamisch auf neue Marktanforderungen zu reagieren. Die Umsetzung dieser Strategie setzt aber nicht nur eine andere IT-Organisation voraus. Die Unternehmen insgesamt müssen in ihren Prozessen agiler werden und lernen, mit Fehlern toleranter umzugehen. Wer keine Fehler machen oder zulassen möchte, ist mit dem Wasserfall-Ansatz besser beraten, so Patz-Brockmann.
Fehlertoleranz ist auch bei der PLM-Implementierung erforderlich. Wer viele kurze Sprints hinlegt, produziert zwangsläufig den einen oder anderen Fehlstart. Das müsse der Kunde zu akzeptieren bereit sein, ergänzt Markus Feldmann, der als Projektleiter bei CONTACT schon mehrere agile PLM-Implementierungen erfolgreich gemeistert hat: Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen und dürfen sich nicht gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben, wenn mal etwas revidiert werden muss. Das funktioniert am besten, wenn wir beim Kunden vor Ort sitzen und direkt mit den Anwendern in den Fachabteilungen kommunizieren können.
Für die Anwender in den Fachabteilungen bedeuten agile Implementierungsprojekte in der Regel mehr Aufwand als klassische PLM-Implementierungen, bei denen der Hersteller erst einmal wochenlang „abtaucht“, um die Anforderungen des Lastenheftes umzusetzen. Die kurzen Sprints erfordern einen ständigen, manchmal täglichen Dialog zwischen Hersteller, IT-Mannschaft des Kunden und Fachabteilungen. Nicht immer sind die Anwender bereit, diesen Weg mitzugehen. Gerade in kleineren Unternehmen fehlen oft die personellen Ressourcen, um Anwender für Zusatzaufgaben freizustellen.
Agile PLM-Implementierungen erfordern bei aller Agilität ein hohes Maß an Disziplin, auch auf Seiten des Kunden. Er muss die Vereinbarungen ernst nehmen und darf die agile Vorgehensweise nicht als Vorwand nutzen, um die Anforderungen ständig zu ändern oder sich neue Anforderungen auszudenken. Die Kunden auszusteuern und zum vorgesehenen Termin mit einem bestimmten Funktionsumfang an den Start zu gehen ist laut Feldmann einer der großen Herausforderungen bei agilen PLM-Implementierungen. Und darauf zu vertrauen, das der Kunde dafür dann auch die vereinbarte Zahlung leistet.